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Sonntagskolumne // Wen rufst du?

2/12/2017



Auf einmal kann ich mich nicht mehr halten. Zusammenhalten. Ich weiß auch nicht genau, was gerade nicht stimmt, aber irgendetwas scheint nicht zu stimmen. Sonst würd ich ja nicht so heftig reagieren, auf so eine unkontrollierte Art und Weise.


Es ist als wäre ich dabei abzurutschen. Ich kann mich nirgends festhalten. Ich schreie. Natürlich schreie ich, wer würde nicht schreien wenn er geradewegs dabei ist zu fallen. Aber ich erreiche niemanden. Meine Schreie erreichen niemanden. Keiner hört mich. Obwohl ich laut genug bin. Es zieht mich herunter und ich halte dagegen an. Aber der Zug ist zu stark, also falle ich. Ich lasse mich fallen. Egal wie sehr ich es versuche, ich bin nicht in der Lage, mich irgendwo zu halten, abzufangen oder wieder hochzuziehen. Ich bin zu schwach. Ich bin alleine. Ich schaffe es nicht alleine. Also bleibe ich liegen. Falle und über mir fällt alles zusammen. Kippt, wie Dominosteine. Fast wie in Zeitlupe, immer einer nach dem anderen.

Das Bühnenbild stürzt ein und ich lieg mitten in den Trümmern und werde von ihnen begraben. Meine Arme bilden eine Festung um meinen Körper zu schützen, doch mit jedem weiteren Dominostein, der kippt und seine angestammte Position verlässt, lässt die Kraft nach. Die Trümmer werden schwerer, lasten Tonnenschwer mit ihrem Gewicht auf mir und ich? Ich bin zu schwach um auch nur irgendetwas zu tun. Zu schwach um mich schützend um mich selbst zu legen. Schützend vor mich selbst zu stellen. Die Trümmer abzuwehren.

Ich fühle mich einsam. Meine Stimme ist heißer, vom vielen schreien und Signale geben. Zu schwach um nur ein einziges weiteres Wort zu formulieren. Also gebe ich auf. Hör auf zu schreien. Es ist ein Schrei ins nichts, der niemanden erreicht. Er prallt von den Trümmern zurück. Wird von ihnen verstärkt, erreicht niemanden nur mich, doch ich bin es die da schreit. Doch ich kann mich selbst kaum hören. Es ist ein stummer Schrei, den ich ansonsten weg lache. Wegrationalisiere, wenn ich gerade wieder dabei bin einen kleinen Riss zu kitten, der nicht in das sonst so perfekt Bild passt. Doch jetzt gerade hilft noch nicht einmal ein klein wenig Mörtel, die Risse sind Spalten geworden, Krater und zu groß um sie schnell mal weg zu retuschieren.

Das Gefühl, die Verzweiflung und diese alles verschlingende Einsamkeit ist gerade viel zu stark um nur irgendeinen klaren Gedanken zu fassen.

Wen rufst du, wenn es droht dich zu verschlingen? Wen rufst du, wenn du fällst und dich nicht mehr fangen kannst? Wen rufst du, wenn dir der Boden unter den Füßen wegbricht?
Rufst du ins Leere oder hört dich jemand? Kommen deine Rufe an, bei einem Adressaten, der nicht deinen Namen trägt, der nicht du selbst bist?


Wen rufst du, wenn du Schutz brauchst? Wen rufst du, um zusammengehalten zu werden? Wen? Außer dich selbst. Du zählst nicht. Weil du gerade zu schwach bist um dich aufrecht zuhalten. Ich bin zu schwach um mich aufrecht zu halten. Wen ruf ich? Außer mich, wenn ich nicht zähle. Wenn ich nicht auf mich zählen kann.

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