„Warum schreibst du ihm nicht einfach?“
Ich stutze. Diese einfache und banale Frage bringt mich aus
dem Konzept. Wieso schreib ich ihm nicht einfach?! Meine Gedanken beginnen zu
rasen. In dieser einfachen und doch so naheliegenden Frage, verbirgt sich so
viel mehr als nur das naheliegende. Ich werde Still, druckse rum und überlege wie
ich in Worte fassen kann, was sich hinter meinem Kopf abspielt.
„Ich weiß nicht…also eigentlich hab ich mir das auch schon
überlegt…aber ich war ja dann weg und…“ Wie genau erklärt man jemandem, der so
ungemein älter ist, als man selbst, wieso man ihm eben nicht einfach so
schreiben kann, obwohl man vielleicht nichts lieber als das machen möchte?! Ich
setzte erneut zu einem Versuch an. Ich denk, dass ist mehr so ein Junge Leute Problem.
Klar, könnte ich ihm einfach schreiben. Aber man macht das eben nicht. Man
wartet. Darauf, dass sich der andere zuerst meldet. Weil man dem anderen ja
sonst hinterherrennen würde und ja...eigentlich komplett bescheuert, aber so
ist das eben in meinem Alter.
„Also so eine Art Spielchen?“ Ja. Nein..schon irgendwie. Man
steht zwar in Kontakt und wir sind alle super erreichbar, aber dann schreibt
man trotzdem erst drei Stunden später zurück…auch wenn‘s blöd ist. Klar war das
mit dem Melden immer ne Option. Wahrscheinlich hätte ich auch schon längst was
von mir hören lassen, wären da nicht
diese mahnenden Stimmen, die mir davon abraten. Weil ER doch gesagt hat, das ER
sich meldet, dass ER mir schreibt. Und da wär‘s doch irgendwie…ach keine Ahnung.
Und was, wenn er nicht zurückschreibt, liest und nicht antwortet, weil das doch
eben viele von uns so machen?!
„Aber sieh das mal so: er ist in einem komplett fremden
Land, in einer neuen Umgebung, ganz alleine und fängt da ein neues Leben an.
Der hat bestimmt auch Heimweh und vermisst sein zu Hause. Du würdest dich doch
auch freuen, wenn du von Zu Hause hörst, wenn dir jemand schreibt und an dich
denkt.“
Das ganze klingt einleuchtend. Verdammt einleuchtend,
trotzdem wende ich ein, dass es doch gerade wenn man ein neues Leben anfängt
hinderlich ist, wenn die Leute die Kilometerweit entfernt ein ganz anderes Leben
leben immer auftauchen.
Aber eigentlich will ich mich melden. Wissen wies ihm geht.
Vor allem nachdem ich gemerkt hab, dass ich ihn vermisse. Obwohl ich dachte, ich
tu‘s nicht. Mir dieser Tatsache sogar ziemlich sicher war.
Aber es geht um Verluste. Darum Menschen zu verlieren. Durch
Entfernung, durch das Leben und ich für meinen Teil hab genug davon. Wenn ich
auf mein Leben zurück schaue, dann gleicht der Weg, den ich zurückgelegt habe
irgendwie auch einem Schlachtfeld (Ganz überspitzt gesagt). Überall liegen sie,
die Zeichen verlorener Freundschaften, tieferer Geschichten. Bindungen, die
nicht gehalten haben. Erinnerungen an Menschen, die ich nicht halten konnte.
Die Sache mit den Verlusten ist immer, wie man damit umgeht.
Mich trifft jeder von ihnen und auch wenn ich zurückblicke bedauere ich diese Verluste.
Denn es waren immer Menschen, die mir viel bedeutet haben. Deswegen hänge ich
auch so an Menschen. Sie geben einem Halt und wenn der dann fehlt, fällt man.
Weil man sich ja nirgends mehr festhalten kann. Klar, man ist nie alleine im Leben,
es gibt immer noch jemanden der da ist, aber jeder Mensch gibt dir auf einen
andere Art und Weise Halt. Und ich will den Halt nicht verlieren, den du mir
gibst.
Es ist verrückt. Zum verrückt werden. Weil ich mich deshalb
melde, obwohl ich mich nicht melde. Also öffne ich die Nachrichtenfunktion
meines Handys und fange an zu tippen. Nein, blöd. Delete. Wieder von vorne, bis
ich nach dem fünften Anlauf dann etwas zusammengetippt habe, was nicht zu
pathetisch ist. Nicht zu lange und gerade kurz genug, das irgendwie alles und
nichts reinpasst.
Wisst ihr, letztens hab ich ein Lied gehört, auf dem Fahrrad.
Nicht nichts war der Titel. Nicht nichts müsste ja eigentlich, im normalen grammatikalischen
Kontext, alles heißen. Weils ja ne doppelte Verneinung ist. Aber dann so kurz
vor Ende des Liedes singt er dann: ich hab dir nie alles gesagt, aber immerhin nicht
nichts. Was doch dann in dem Kontext bedeuten würde, dass nicht nichts auch
irgendwas heißt. Irgendwas und alles. Wieso sagen sich die Leute eigentlich
immer irgendwas, aber nicht alles?
Natürlich hab ich die Nachricht nicht direkt abgeschickt,
sondern erst nach mehrmaligem Anlauf. Ja, ich weiß, im Grunde sind es doch nur
Worte, doch für mich sind sie dann doch irgendwie so viel mehr. Daher ist das einfach schreiben zwar naheliegend, aber
nicht einfach, sondern irgendwie die komplizierteste Sache der Welt. Luft
anhalten. Senden. Atmen. Warten, weil du ja nie weißt, was passiert.
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